It’s Raining Men

KCZ-Autor*innen • 16. Oktober 2025

Das Meeresleuchten Frauen-Seekajak-Symposium 2025

Als ich im November 2024 um Mitternacht vor dem Laptop saß und auf „Anmelden“ klickte, hatte ich nur eine sehr vage Vorstellung davon, was mich Ende Juli 25 in Hooksiel an der Nordsee erwarten würde. Irgendwas mit Seekajak und mit Frauen? Klang doch gut. Aber man musste bei der Anmeldung schnell sein. Sehr schnell sogar: Um 00:04 Uhr waren alle 50 Teilnahmeplätze ausgebucht. 
Warum die Veranstaltung so populär ist, erfuhr ich erst nach und nach. Das Frauen-Seekajak-Symposium hat 2023 zum ersten Mal stattgefunden und offenbar nicht nur einen Nerv getroffen – dazu gleich mehr –, sondern auch die Erstteilnehmerinnen bewogen, noch mal dabei sein zu wollen und andere dafür zu begeistern. Die Warteliste wurde jedenfalls fast doppelt so voll wie die Veranstaltung selbst. 

Was ist ein Symposium?
Seekajak-Symposien sind ein langjährig etabliertes Konzept in verschiedensten Ländern und Paddelrevieren. Den meisten dieser Veranstaltungen ist gemeinsam, dass über mehrere Tage hinweg ein Mix aus Kursen und Touren angeboten wird. Die große Anzahl von Teilnehmer:innen und Trainer:innen sorgt für eine große Auswahl: In Hooksiel zum Beispiel war bei rund 30 Angeboten an den zwei Kurstagen (von dreizehn Trainerinnen) für jedes Erfahrungslevel und jedes Trainingsziel etwas dabei. Auch an den drei Tourentagen sollte es ein breites Spektrum von Herausforderungen geben. 

Warum ausschließlich für Frauen?
In der Ankündigung des ersten Meeresleuchten-Symposiums wurde mit der „entspannten und sicheren Atmosphäre“ geworben, die Frauen dazu ermuntern sollte, ihre Komfortzone zu erweitern. Da ich mich auch in gemischten Gruppen entspannt und sicher fühle (beim KC Zugvogel zumindest), hat es mich vor Ort überrascht, wie gut die Atmosphäre tatsächlich war. Schon das Zeltcamp war toll; man lernte ganz von allein nette neue Leute kennen, weil alle entspannt und herzlich waren und man sich in den vielen Kursen immer wieder neu mischte. Und bei den Kursen selbst war es wirklich ein Segen, dass von allen derselbe Einsatz erwartet wurde und alle sich gegenseitig bestärkten. Gerade bei anspruchsvollen Trainings kommt es doch vor, dass Frauen sich zurücknehmen, sich eingeschüchtert fühlen, Männern den Vortritt lassen oder sich hinter ihnen verstecken. Hier gab es keine Ausrede und keinen Grund dafür, nicht mit vollem Einsatz dabei zu sein. 
Es fiel auch auf, wie phantastisch vorbereitet die Trainerinnen waren – sie brachten nicht nur exzellente Qualifikationen mit, sondern auch durchdachte Konzepte, wie sie ihre Fähigkeiten weitervermitteln konnten. In meinen Kursen zum effizienten Geradeausschlag, zum Rollen und zur Tourenplanung in Tidengewässern habe ich so viel gelernt wie selten. Natürlich gibt es genauso kompetente und phantastisch vorbereitete männliche Trainer! Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber in Hooksiel lag die Top-Trainerinnen-Trefferquote bei 100 Prozent. Und bei der großen Themenauswahl (unter vielem anderen Kentern und Retten, Balance im Boot, Kanten, EPP-2-Auffrischung, Reparaturen und Ausrüstungstipps) war das einzig Unbefriedigende, dass man nicht mehr als vier Kurse belegen konnte.
Und noch etwas ist mir aufgefallen: Wegen der wechselnden Fahrgemeinschaften – schon von Berlin nach Hooksiel und vor Ort zu den Trainingsstätten und Tourenstartpunkten – habe ich täglich ein bis zwei Mal mein Boot auf unterschiedlichen Dachträgerkonstruktionen festgezurrt, und kein einziges Mal hat mir jemand dazwischengefunkt. Großartig! Ich habe meinerseits um Rat gefragt, weil ich trotz etlicher Mehrtagestouren nicht genug Erfahrung damit hatte. Jeder Einzelne, der mir je den Gurt aus der Hand genommen oder mich mit seinen Ratschlägen aus der Konzentration gerissen hat, hat es garantiert nett gemeint und mir auch manches Nützliche vermittelt, aber in Summe hat die massive Hilfsbereitschaft meinen Lernprozess dann doch eher verlangsamt. Es war sehr befreiend, einfach mal als Mensch unter Menschen angesehen zu werden, der vermutlich sein Boot selbst festzurren kann. Und für größengehandicapte Personen habe ich Hilfsmittel wie Klapptritte und den Gurtverlängerungstrick kennengelernt, die große Männer logischerweise nicht parat haben. 

Und nun zum Wetter
Weniger großartig war das Wetter – nach einem durchwachsenen Start folgten Schauer, dann Dauerregen, dann Starkregenschauer. Auf der Zeltwiese kam Wacken-Feeling auf, samt wachsender Pfützen unter und in den Zelten, allgemeiner Verschlammung und Trecker-Einsätzen zum Freischleppen festgefahrener Autos. Dazu war für zwei von drei geplanten Tourentagen konstant Fünfer- bis Sechserwind angesagt. Mehrere Teilnehmerinnen reisten frühzeitig ab. 
Die Trainerinnen ließen sich allerdings nicht die Laune vermiesen, sondern zauberten ein tolles Ersatzprogramm aus dem Hut. Es wurde sogar zu den einzelnen Ideen noch ein Stimmungsbild von uns eingeholt, damit wirklich alle die zwei Tage gut nutzen konnten. Ich habe zum Beispiel den Kurs „Bootshandling im Wind“ auf dem Hooksieler Binnentief belegt und eine kleine Tour durch den Jade-Ems-Kanal und den Wilhelmshavener Hafen mitgemacht, aber es gab auch Brandungsschnuppern, Gefahrensituationen-Training auf der Nordsee und vieles mehr. Abends wurde im schlammigen Gemeinschaftszelt die Klampfe hervorgeholt und sich warm gesungen.
Sand in den Schuh’n
Am dritten und letzten Tourentag wurde das Durchhalten noch einmal belohnt: Bei vier Beaufort und nur einzelnen Schauern war wieder alles möglich. Eine Überfahrt von Neuharlingersiel nach Spiekeroog und zurück war mein erster Ausflug auf die Nordsee, und er war wunderschön! Die Kräfte der Tide und des Windes, die Vogelwelt im Watt, die riesigen Dimensionen von Himmel, Schiffen und Meer, die wettergegerbte Insel mit dem lauschigen Café auf dem Zeltplatz … das muss ich unbedingt irgendwann wieder machen.
Auch mitgenommen habe ich, dass ich wohl doch einen Trockenanzug brauche und dass ich mir nach meinen Fortschritten beim Rollen vornehme, den EPP 3 zu erwerben. Am liebsten beim nächsten Meeresleuchten, denn bei einer zweitägigen Tour qualifizierten sich dieses Jahr sieben Teilnehmerinnen für den EPP 3 beziehungsweise EPP 4. Ich drücke die Daumen, dass das Symposium spätestens in zwei Jahren noch einmal stattfindet, auch wenn ich glaube, dass es für die Trainerinnen und Organisatorinnen ein krasser Aufwand sein muss. 
Am Abschlussabend wurde dann die Hooksieler Camper-Scheune geentert (Werbeslogan: „Hier bebt der Jadebusen“), und nach einem irgendwie von allen aus den letzten Vorräten oder dem Edeka hervorgezauberten Buffet drehte DJ Carmen den Sound auf. Alles stürmte die Tanzfläche. Zu den größten Hits gehörten „Ich hab noch Sand in den Schuh’n von Spiekeroog“ und auffällig viele Songs zum Thema Seefahrt oder Wetter, unter anderem der Klassiker „It’s Raining Men“. Ein Saal voller Frauen grölte ungehemmt mit und freute sich schon darauf, frisch gestärkt und inspiriert zu ihren Paddelpartnern und Vereinskollegen zurückzukehren. Halleluja!
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